21. August 2020

Corona – Volle Erstattung des Reisepreises unabhängig von einer Reisewarnung

Der Reisepreis ist auch dann zu erstatten, wenn die Stornierung erfolgte, obwohl der Reisezeitraum noch nicht von einer Reisewarnung o.ä. erfasst war.

Wenn eine Pauschalreise wegen einer für den Zeitraum der Reise geltenden amtlichen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes storniert wurde, ist der vollständige Reisepreis vom Reiseveranstalter zu erstatten. Dies wurde hier bereits mehrfach thematisiert. Wer es nochmals nachlesen möchte, klicke auf die folgenden Links:

https://kanzleiamrathaus.com/pauschalreise-storniert-reisepreis-zurueck/

https://kanzleiamrathaus.com/update-zur-stornierung-von-reisen/

Nun hat sich das Amtsgericht Frankfurt am Main mit einem Fall beschäftigt, in dem der Reisende die von ihm gebuchte Italien-Reise sehr früh stornierte, nämlich zu einem Zeitpunkt, als die Reisewarnung die Abreise noch nicht umfasste (März 2020). Daher verlangte der Reiseveranstalter die in seinen AGB festgelegten Stornokosten. Er erstattete dem Reisenden den Reisepreis nur unter Anrechnung dieser Stornokosten.

Zu Recht?

Der Kunde klagte hiergegen und argumentierte, seine Stornierung auf das sich rasch ausbreitende Virus und damit auf einen „unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand“ zurückzuführen sei. Die AGB des Reiseveranstalters sahen nämlich vor, dass der Reiseveranstalter vor Reisebeginn keine Entschädigung verlangen kann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Das Gericht gab dem Kläger recht. Zur Beantwortung dieser Frage komme darauf an, wann der Rücktritt erfolgte und ob die Gegebenheiten am Urlaubsort zu diesem Zeitpunkt bereits als außergewöhnlicher Umstand zu qualifizieren waren.

Es handelt sich dabei um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex-ante-Betrachtung (= vorher) ankommt. Anders sie dies im Falle eines „übereilten“ Rücktritts, bei dem in aller Regel eine Pflicht zur Zahlung von Stornogebühren entstehe. Daran ändere sich nichts, wenn sich im Nachhinein eine Betroffenheit der späteren Reise von außergewöhnlichen Ereignissen ergibt und sich der Rücktritt ex-post (= rückblickend) darauf stützen ließe. Die entrichteten Stornogebühren könne der Kunde nicht zurückverlangen. Es vermöge nämlich nicht zu überzeugen, dass der Kunde möglichst frühzeitig vom Vertrag zurücktritt und dann auf die Fortdauer der Krise bis zu einem späteren Zeitpunkt spekuliere.

Gleichwohl sind, so das Amtsgericht, an die Darlegung und den Nachweis der konkreten Umstände im Reisegebiet zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, um den Reisenden nicht zu überfordern; insbesondere wenn diese schon längere Zeit zurück liegen.

Es ist nicht zwingend, dass zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits Reisewarnungen für das Reisegebiet vorliegen oder dass das Zielgebiet von dem Ausbruch betroffen ist. Vielmehr genügt zur dahingehenden Einordnung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung.

Dies sei zum Zeitpunkt der Reisestornierung Anfang März für ganz Italien der Fall gewesen, sodass die Beklagte gemäß § 651h Abs. 3 BGB nicht befugt gewesen sei, Stornierungskosten zu erheben.

Insofern urteilte das Amtsgericht Frankfurt, dass der Reiseveranstalter keine Stornierungskosten erheben durfte. Er wurde zur vollständigen Erstattung des Reisepreises verurteilt.

 

Quelle: AG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.08.2020, Az. 32 C 2136/20 (18)