16. Juni 2020

Die böse Stiefmutter als Erbin – welche Ansprüche haben die Kinder?

Sind die eigenen Eltern geschieden oder die Mutter vorverstorben, erbt häufig die 2. Ehefrau des Erblassers.

Wenige Konstellationen sind im Erbrecht so konfliktbelastet wie das Verhältnis zwischen der „Stiefmutter“ als Erbin und den Kindern des Erblassers.

Ermittlung der Pflichtteilsquote

Wird die Stiefmutter als Erbin eingesetzt, bleibt den Kindern in der Regel nur die Geltendmachung des Pflichtteils. Der Pflichtteilsanspruch ist auf Basis der gesetzlichen Erbfolge zu ermitteln. Dabei ist zunächst zu klären, ob der Erblasser und seine 2. Ehefrau einen Ehevertrag geschlossen haben, wenn nicht lebten beide im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass die 2. Ehefrau bei der Ermittlung der gesetzlichen Erbansprüche mit 1/2 des Anteils (1/4 Erbanteil und 1/4 pauschalierter Zugewinnausgleichsanspruch) berücksichtigt wird. Die verbleibende Hälfte fällt nach der gesetzlichen Erbfolg den Kindern zu gleichen Teilen zu. Der Pflichtteilsanspruch besteht jedoch nur in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs, d.h. bei einem Kind hat dieses einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/4, bei zwei Kindern haben diese jeweils einen Anspruch in Höhe von 1/8.

Anspruch auf Auskunfts- und Wertermittlung

Da die Pflichtteilsberechtigten in der Regel keine Kenntnis über den Nachlass haben, stehen ihnen Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche zu. Die Stiefmutter muss den Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen Angaben zum Nachlass machen. Dabei hat sie sämtliche Aktiva und Passiva zum Todeszeitpunkt darzustellen und ggf. Belege vorzulegen. Die Stiefmutter muss auch Angaben zu erhaltenen Schenkungen machen und im Zweifel ermitteln, ob der Erblasser Dritte beschenkt hat.

Sind Immobilien, Wertgegenstände, Gesellschaftsanteile o.ä. im Nachlass hat die Stiefmutter auf Kosten des Nachlasses den Wert ermitteln zu lassen.

Pflichtteilsanspruch = Zahlungsanspruch

Steht der Wert des Nachlasses fest, kann der Pflichtteilsanspruch ermittelt werden. Dabei gilt, dass der Pflichtteilsberechtigte nur einen Zahlungsanspruch hat. Er kann also nicht verlangen, je 1/4 aller Nachlassgegenstände zu erhalten, sondern lediglich die Auszahlung von 1/4 des Nachlasswertes.

Worüber kann gestritten werden?

Kurz gesagt: über Alles. Wurde die Auskunft richtig erteilt? Ist sie vollständig? Sind weitere Schenkungen erfolgt? Sind angegebene Verbindlichkeiten tatsächlich vom Nachlass in Abzug zu bringen? Wurden die Nachlassgegenstände objektiv oder allein im Interesse des Erben (d.h. zu gering) bewertet? Die Liste lässt sich beliebig fortführen.

Hinzu kommt in der „Stiefmutter – Kinder- Konstellation“ noch eine nicht zu unterschätzende emotionale Komponente. Wechselseitige Vorwürfe wie „Ihr habt euch nicht um euren Vater gekümmert“ und „Wir konnten uns nicht kümmern, du hast den Kontakt unterbunden“ sind an der Tagesordnung.

Es empfiehlt sich daher sowohl für den Pflichtteilsberechtigten als auch für den Erben anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.