22. Oktober 2020

Das Wohnungsrecht und die Zehnjahresfrist

Das OLG Zweibrücken bestätigt den Lauf der Zehnjahresfrist auch bei Vorbehalt eines Wohnungsrechts

Die Übertragung einer Immobilie kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen. Oft äußern Mandanten den Wunsch, die Immobilie zu übertragen, aber dort in jedem Fall wohnen bleiben zu wollen. Um diesen Wunsch rechtssicher umzusetzen, müsste ein Wohnungsrecht vereinbart werden.

Pflichtteilsreduzierung durch Immobilienübertragung

Soll das Eigentum an der Immobilie aber übertragen werden, um Pflichtteilsansprüche zu reduzieren, ist allerdings Vorsicht geboten. Grundsätzlich gilt: Wird die Immobilie verschenkt, wird sie in den zehn Jahren nach der Schenkung noch fiktiv dem Nachlass zur Ermittlung sogenannter Pflichtteilsergänzungsansprüch hinzugerechnet. Dabei wird die Schenkung je vergangenem Jahr mit 10 % weniger berücksichtigt. Diese  Frist ist als sog. „Zehnjahresfrist“ Vielen ein Begriff.

Lauf der Zehnjahresfrist

Um Missbrauch, d.h. letztlich der gezielten Schenkung allein zum Zwecke der Pflichtteilsreduzierung vorzubeugen, haben sich Ausnahmen in der Rechtsprechung herauskristallisiert. Bereits seit 25 Jahren ist höchstrichterlich anerkannt, dass bei Vorbehalt eines Nießbrauchrechts die Zehnjahresfrist nicht läuft. Der BGH hat damals argumentiert, dass der Nießbraucher, der auch nach der Übertragung die Immobilie wie sein Eigentum nutzen (und vermieten) kann, wirtschaftlich betrachtet das Eigentum an der Immobilie nicht aufgegeben und damit den Lauf der Zehnjahresfrist nicht in Gang gesetzt hat. Im Erbfall droh(t)en hier böse Überraschungen. Läuft die Zehnjahresfrist nicht, wird die Immobilie voll dem fiktiven Nachlass hinzugerechnet. Die Pflichtteilsreduzierung läuft ins Leere.

Was gilt bei Wohnungsrechten?

Was für den Vorbehaltsnießbrauch seit Jahren höchstrichterlich entschieden ist, ist für das Wohnungsrecht nach wie vor eine Einzelfallentscheidung. Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.06.2016, IV ZR 474/15  ausgeführt:

„Behält sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vor, so kann hierdurch in Ausnahmefällen (hier verneint) der Beginn des Fristlaufs gem. § 2325 Abs.3 BGB gehindert sein (Fortführung des Senatsurteils vom 27.April 1994 -IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395)

Aktuelle Entscheidung

In der Rechtsprechung der Land- und Oberlandesgerichte kristallisiert sich heraus, dass es darauf ankommt, welchen Umfang das vorbehaltene Wohnungsrecht hat. Das OLG Zweibrücken hat in seinem aktuellen Urteil vom 01.09.2020, Az. 5 U 50/19 den Ablauf der Zehnjahresfrist in einem Fall bejaht, in dem sich die Erblasserin ein Wohnungsrecht lediglich an einer von zwei Wohnungen in dem übertragenen Objekt vorbehalten hatte.

Fachkundige Beratung entscheidet über den Erfolg

Soll eine Immobilie also zum Zwecke der Pflichtteilsreduzierung übertragen werden, muss dies mit dem beratenden Rechtsanwalt oder Notar unbedingt besprochen werden. Nur so kann der Übertragungsvertrag entsprechend formuliert werden.