Zugang einer Kündigung: Wann wird der Briefkasten geleert?
Nicht nur im Arbeitsrecht gilt: Wer einer anderen Person einen Brief zustellt, muss den Empfang des Schreibens beweisen, wenn er sich später auf den Inhalt beruft.
Im Arbeitsverhältnis kommt dieser Regel bei Kündigungen besondere Bedeutung zu. Der Zeitpunkt des Zugangs kann ausschlaggebend sein für die Kündigungsfrist und/oder die Klagefrist und bei fristlosen Kündigungen für die Frage, ob die Kündigung noch rechtzeitig erfolgt.
In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19) zu entscheidenden Fall wurde einem Mitarbeiter eine Kündigung durch einen Kollegen an einem Freitag um 13.25h in den Briefkasten geworfen.
Kann zu diesem Zeitpunkt noch ein Zugang am Freitag erwartet werden?
Nach der Rechtsprechung geht eine Willenserklärung unter Abwesenden zu, sobald sie „in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen“.
Die Zustellung der regulären Post erfolgt in der Region gegen 11h Vormittags. Der zu kündigende Mitarbeiter berief sich auf den Zugang am darauffolgenden Montag. Im konkreten Fall war der Zeitpunkt entscheidend für die Frage, ob die Klagefrist von drei Wochen gewahrt wurde. Die Vorinstanzen wiesen die Kündigungsschutzklage mit dem Hinweis auf die Versäumung der Klagefrist ab. Auch an einem Freitag um 13.25h könne ein Schreiben noch rechtswirksam zugehen. Das BAG vertritt eine andere Auffassung und verwies den Rechtsstreit zurück: Das Landesarbeitsgericht muss nun klären, wann nach der Verkehrsauffassung im Wohngebiet des Klägers mit einer Leerung des Briefkastens gerechnet werden kann. Wie das Landesarbeitsgericht diesen Zeitpunkt aufklären soll, blieb im Urteil offen. Sicherheitshalber sollte man sich jedoch angewöhnen, am Abend den Briefkasten zu leeren.