22. Januar 2021

Verkehrsrecht: Unfall während der Lieferzeit des Neuwagens

Rechtsanwalt Henning Doth erläutert, wie sich Geschädigte in einem solchen Fall richtig verhalten.

Im Falle des Unfalls hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten oder auf Zahlung einer angemessenen Nutzungsausfallentschädigung. Üblicherweise wird dieser Schadensersatz für die Dauer der Reparatur bzw. – im Fall des wirtschaftlichen Totalschadens – für die Dauer der Wiederbeschaffung gewährt.

So einfach sind die Fälle in der Praxis jedoch nicht immer. Es kommt vor, dass der Unfall zu einem Zeitpunkt geschieht, an dem der Geschädigte bereits einen Neuwagen mit unverbindlicher Lieferzeit bestellt hat und bis zur Auslieferung des neuen Fahrzeugs eigentlich das verunfallte Fahrzeug weiternutzen wollte.

Wie ist die Rechtslage? Welche Möglichkeiten haben Sie?

Das Wichtigste vorweg: Keine Gute Idee wäre es, einfach einen Mietwagen in Anspruch zu nehmen und diesen zu nutzen, bis der Neuwagen – möglicherweise erst Monate später – ausgeliefert wird. In diesem Fall ginge der Geschädigte große Risiken ein, auf einem nicht unerheblichen Teil der Mietwagenkosten „sitzen“ zu bleiben.

Interimsfahrzeug oder Notreparatur

Stattdessen kann der Geschädigte gehalten sein, anstelle der Anmietung des Ersatzfahrzeugs für die Dauer der Lieferzeit ein gebrauchtes Fahrzeug zu kaufen und nach der Lieferung des neuen Fahrzeugs wieder zu verkaufen. Alternativ kann auch eine Notreparatur des beschädigten Fahrzeugs durchgeführt werden.

Bei kürzeren Restlieferzeiten kann sicherlich auch ein Mietfahrzeug in Betracht gezogen werden, allerdings verlangt die Rechtsprechung dann eine konkrete Vergleichsberechnung, wie der Kostenunterschied zwischen der Anmietung und der Ersatzbeschaffung bzw. Notreparatur gewesen wäre. Führt dies zu dem Ergebnis, dass die Anmietung nur unwesentlich teurer und damit noch wirtschaftlich ist, kann auch Ersatz der Mietwagenkosten verlangt werden.

Liefertermin unverbindlich

Je länger jedoch noch die restliche Lieferzeit ist, desto eher wird wohl die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs oder eine Notreparatur in Betracht zu ziehen sein. Als Richtschnur sollten die üblichen Wiederbeschaffungsdauern herangezogen werden. Alles, was über 3 Wochen hinausgeht, wird vermutlich auf ein Interimsfahrzeug bzw. eine Notreparatur hinauslaufen.

Erschwerend kann noch hinzukommen, dass viele Lieferzeiten unverbindlich sind und sich demgemäß noch als länger herausstellen können als erwartet. Nach der Rechtsprechung gehört es zu den Obliegenheiten des Geschädigten, sich diesbezüglich vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs beim Autohaus zu erkundigen.

Henning Doth
Rechtsanwalt
Tätigkeitsschwerpunkt Verkehrsrecht