Verdächtig: Krank während der Kündigungsfrist
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen durch das Unternehmen oder den Mitarbeiter bedeutet in der Regel: Man will nicht mehr zusammenarbeiten. Damit verbunden ist oft eine tiefe emotionale Zerrüttung. Am liebsten möchte man sich nicht mehr sehen. Der Arbeitgeber empfindet den gekündigten Mitarbeiter als Störung des Teams; der Mitarbeiter fühlt sich nicht gewollt und kann ein normales weiter Arbeiten nur schwer ertragen. Sofern es sich nicht um eine fristlose Kündigung handelt, ist jedoch die gesetzliche/vertragliche Kündigungsfrist einzuhalten.
Wenn der Mitarbeiter dann während der Kündigungsfrist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht, vermutet der Arbeitgeber meistens, dass der Arbeitnehmer gar nicht krank ist. Oft möchte der Arbeitgeber die Fortzahlung der Vergütung einstellen.
Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt jedoch eine so genannte Indizwirkung zu. Eine ärztliche Bescheinigung lässt also grundsätzlich vermuten, dass der Mitarbeiter wirklich krank ist. Zweifelt der Arbeitgeber die Krankheit an, muss er die Zweifel beweisen und die Indizwirkung erschüttern. Das ist in der Regel nicht einfach, zumal die Gerichte meist von einem Hinzuziehen des beteiligten Arztes absehen.
Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn die Arbeitsunfähigkeit zufälliger Weise mit dem Zeitraum der Kündigungsfrist zusammenfällt. Dann kann der Arbeitgeber unter Umständen zur Einstellung der Gehaltszahlung berechtigt sein. Dies hat kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21) entschieden:
„Den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.“
Am Ende gilt: Wenn man krank ist, ist man krank. Vorsicht ist jedoch bei Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit geboten.