16. Oktober 2020

Unfall ohne Fahrradhelm – weniger Schmerzensgeld?

Führt das Nichttragen eines Helms zu einem Mitverschulden des verletzten Radfahrers?

Mit dieser Frage hatte sich jüngst das OLG Nürnberg (Az. 13 U 1187/20) zu befassen. Was war passiert?

Eine junge Radfahrerin war bei einem Zusammenstoß mit einem Pkw gestürzt und hatte sich schwere Kopfverletzungen zugezogen. Von dem Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung verlangte sie Schmerzensgeld.

Der Versicherer berief sich auf ein Mitverschulden, weil die Radfahrerin keinen Helm getragen hatte. In erster Instanz wurde ihr nur ein Teil des geltend gemachten Betrages zugesprochen. In der zweiten Instanz verwies dann das OLG Nürnberg auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014. Seinerzeit hatte der BGH entschieden, dass es sich beim Radfahren – jedenfalls im Alltagsverkehr – nicht um eine derart gefährliche Tätigkeit handelt, dass sich nur derjenige verkehrsgerecht verhält, der einen Helm trägt. Nach Auffassung der Nürnberger Richter gilt dieser Grundsatz noch immer. Andernfalls müsste bei jeder Tätigkeit mit ähnlichem oder höheren Kopfverletzungsrisiko ein Mitverschulden bejaht werden, wenn der durch einen Sturz Geschädigte keinen Helm getragen hätte. Dies würde dann beispielsweise auch für das Besteigen von Haushaltsleitern gelten, so das Gericht.

Insofern erhielt die Klägerin das volle Schmerzensgeld zugesprochen. Das Nichttragen eines Helms begründet kein Mitverschulden des verletzten Radfahrers. Anderes könnte aber sehr wohl beim Rennradfahren (tiefe Kopfhaltung, Fixierung der Schuhe an den Pedalen) oder beim Mountainbike-Fahren im Gelände gelten, da solch sportliches Fahren mit einem gesteigerten (Kopf-) Verletzungsrisiko verbunden sein dürfte.