5. März 2021

Unfall: Anspruch des Hundes auf Physiotherapie

Wird ein Hund vom Auto angefahren, kann dem Halter ein Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger in Form von Behandlungskosten zustehen.

Zu diesem Ergebnis gelangte das Landgericht München I mit Urteil vom 15.09.2020 (Az. 20 O 5615/18).

Unfall

Was war passiert? Ein Angestellter des Hundehalters hatte den damals ca. 4 Monate alten Junghund an der Leine auf dem Privatgelände eines Gewerbeparks spazieren geführt. Auf dem Gelände bestand eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h. Der beklagte Autofahrer fuhr dort mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h. Dabei erfasste er den Hund an der linken Vorderpfote.

Im Prozess wurde u.a. ein Gutachten zu den Verletzungen des Hundes und dem Umfang der Behandlungskosten eingeholt. Nach den Ausführungen des Gutachters waren die Verletzungen des Hundes kompatibel zum Unfall und die Behandlungskosten angemessen. Insbesondere bejahte er die Notwendigkeit der Physiotherapie bei der Fraktur der linken Vorderpfote, da sich der Hund zum Zeitpunkt des Unfalls noch im Wachstum befunden habe. Da zukünftige Schäden nicht ausgeschlossen werden konnten, wurde der Beklagte auch verpflichtet, für künftige Schäden einzustehen.

Auf den ersten Blick klingt dies kurios und man könnte kurz an einen vorgezogenen Aprilscherz denken. Doch bei Lichte betrachtet setzt sich das Gericht mit denselben, bekannten Ansätzen auseinander, die in vielen Fällen zum Tragen kommen, in denen zum Unfall zwischen Mensch – hier mit Auto – und Tier kommt. Insofern mussten die Richter auch die wechselseitig behaupteten „Verursachungsbeiträgen“ überprüfen.

Hundehalterhaftung

So stellte sich die Frage, ob der Halter des Hundes ein Mitverschulden am Unfall trage. Ein Tierhalter haftet grundsätzlich verschuldensunabhängig, d.h., dass er weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt haben muss. Es muss sich aber eine typische Tiergefahr verwirklicht und zum Schaden geführt haben, § 833 BGB. Insofern könnte sich die Tiergefahr auch anspruchsmindernd auswirken.

Typische Tiergefahr

Diese „typische Tiergefahr“ wird verwirklicht, wenn der Schaden durch ein der tierischen Natur entsprechendes willkürliches, unberechenbares und selbstständiges Verhalten des Tieres verursacht werde, z.B. wenn ein Pferd „durchgeht“ und der Reiter deswegen vom Pferd fällt.

Eine solche Tiergefahr vermochten die Richter hier nach der Beweisaufnahme indes nicht zu erkennen.

Betriebsgefahr des Fahrzeugs

Vielmehr habe sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs verwirklicht. Erschwerend kam hinzu, dass der Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren war. Nach allem urteilte das Gericht, dass der Autofahrer allein für den Unfall hafte, somit vor allem für den Schaden am Tier und die dadurch veranlassten Behandlungskosten.

 

Henning Doth
Rechtsanwalt