30. September 2020

Streit um den digitalen Nachlass

Der Facebook-Account im Todesfall

Was passiert mit dem Facebook-Account im Todesfall?

Im Erbfall geht, so sieht es das Gesetz in § 1922 Abs. 1 BGB vor, das Vermögen des Verstorbenen als Ganzes auf seine(n) Erben über. Soweit so gut. Wie sieht es aber mit den Aktivitäten und Accounts des Verstorbenen in den sozialen Netzwerken aus? Haben die Erben hieran Rechte?

In einem jahrelangen Streit über mehrere gerichtliche Verfahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) hierzu grundlegende Aussagen getroffen. Hintergrund war der traurige Fall des Todes einer 15-jährigen Schülerin, welche in Berlin von einem Zug überrollt worden ist. Die Eltern hegten den Verdacht, dass ihre Tochter möglicherweise durch Mobbing in den Suizid getrieben wurde. Sie erhofften sich Aufklärung durch Zugang zum Facebook-Konto der Tochter, welcher ihnen aber verwehrt worden ist.

BGH zum Ersten

Der Klage der Eltern, welche als Erben ihrer Tochter den Zugang erstreiten wollten, gab das Landgericht Berlin statt. Das Kammergericht in 2. Instanz sah es zwar anders. Der BGH (Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17) bestätigte indes die erstinstanzliche Entscheidung. Begründet wurde es mit der eingangs beschriebenen sog. Universalsukzession, also der Gesamtrechtsnachfolge der Erben in die Rechtsstellung der Tochter. Letztere umfasse auch den Nutzungsvertrag zwischen der Tochter und dem Internetanbieter. Er sei mit allen Rechten und Pflichten auf die Erben übergegangen. Dem stehe weder ein postmortales Persönlichkeitsrecht der Tochter noch das Fernmeldegeheimnis, datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner der Tochter – alles Einwendungen des Anbieters – entgegen.

BGH zum Zweiten

Zum Leidwesen der Eltern hatte die Sache damit allerdings noch kein Ende. Der Streit setzte sich über den Umfang der Rechte der Erben fort. Der verurteilte Internetanbieter beschränkte sich nämlich darauf, den Eltern einen USB-Stick zu übermitteln, welcher eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten enthielt, nach den Angaben des Anbieters eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Tochter geführten Konto.

Das genügte den Eltern nicht. Wieder ging es zu Gericht, erneut über 3 Instanzen. Der BGH (Urteil vom 27.08.2020 – III ZB 30/20) bestätigte jüngst wiederum das Landgericht und gab den Eltern recht. Es entschied, dass ihnen nicht nur Zugang zu den Kommunikationsinhalten durch Übermittlung diverser Seiten zu gewähren sei, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit einzuräumen sei, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie ein vollwertiger Nutzer. Ihnen wurde also dieselbe Rechtsstellung zuerkannt, wie sie vorher ihre Tochter innehatte.

Im Ergebnis werden also digitale, auch höchstpersönliche, Inhalte nicht anders vererbt, als „analoge“ Dokumente. Es ist allgemein anerkannt, dass z.B. Tagebücher etc. vererblich sind.

Haben Sie weitere Fragen zum Thema „Digitaler Nachlass“ und den Umgang hiermit oder wurde Ihnen als Erbin möglicherweise der Zugang verweigert, können Sie sich jederzeit gern an unser Büro wenden.