19. März 2021

Reiserücktrittsversicherung: betriebsbedingte Kündigung vs. Corona

Zur Leistungspflicht nach betriebsbedingter Kündigung im Lichte der Covid-19-Pandemie

Unser Mandant hatte eine Pauschalreise nach Kanada gebucht. Ungefähr ein halber Jahr vor Antritt der Reise erhielt er von seinem Arbeitgeber die Kündigung. Daraufhin stornierte er die Reise und musste die vertraglich vereinbarten Stornierungskosten an den Reiseveranstalter zahlen.

Bei Abschluss des Reisevertrags hatte unser Mandant eine Reiseversicherung abgeschlossen, die u.a. für den Fall Versicherungsschutz versprach, dass die Reise aufgrund einer betriebsbedingten („ordentliche“) Kündigung nicht angetreten werde. Insofern meldete der Mandant den Schaden und machte die Versicherungsleistungen geltend.

Überraschenderweise lehnte der Versicherer ab. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass die „ordentliche“ Kündigung, so die Formulierung des Arbeitsgebers, nicht versichert sei, sondern nur eine betriebsbedingte Kündigung. Selbst einem arbeitsrechtlichen Laien erschloss sich diese Differenzierung nicht, so dass es nicht sehr fernliegend war, dass es sich nur um ein Scheinargument handelte, um den Versicherungsschutz versagen zu können.

Auf unsere außergerichtlichen Bemühungen reagierte der Versicherer nicht, so dass wir für unseren Mandanten umgehend Klage erhoben.

Im Prozess bekräftigte der Versicherer seinen Einwand, dass es sich nicht um eine betriebsbedingte Kündigung handele und trug umfassend vor, welche Anforderungen hieran zu stellen seien, allerdings aus arbeitsrechtlicher Sicht einer Wirksamkeitsprüfung. Ferner bestritt der Versicherer die Unzumutbarkeit der Durchführung der Reise; schließlich hätten wir nichts zum Ausgang der Kündigungsschutzklage vorgetragen und es könnte ja sein, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde oder der Mandant eine Abfindung erhalten habe. Nach unserer Auffassung ging dies den Versicherer jedoch nichts an.

Denn im Gegensatz zu anderen Versicherungsbedingungen wurde hier nicht auf den Verlust des Arbeitsplatzes abgestellt, sondern nur auf die bloße Kündigung. Insofern fand das Ansinnen des Versicherers keine Grundlage in den allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Letztlich meinte der Versicherer noch, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, weil die Reise ohnehin nicht durchführbar gewesen wäre. Er verwies auf die am 17.03.2020 ausgesprochene weltweite Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie. Denn die Reise wurde erst 6 Tage nach Ausspruch der Reisewarnung storniert. Die Reise selbst sollte aber erst im August beginnen. Nach Auffassung des Versicherers war die Kündigung also nur vorgeschoben, um Versicherungsleistungen zu erlangen.

All diesen Einwänden erteilte das Amtsgericht Ahrensburg mit Urteil vom 24.02.2021, Az. 49a C 735/20 (noch nicht rechtskräftig) allerdings eine Absage.

Das Gericht bejahte den Eintritt des versicherten Ereignisses. Hierfür sei ausreichend, dass der Grund für die Kündigung nicht aus der Sphäre des Arbeitnehmers stamme. Weitere Anforderungen seien unter Zugrundelegung dieser Versicherungsbedingungen nicht zu stellen, insbesondere sind der Ausgangs des Kündigungsschutzprozesses oder eine etwaige Abfindung insofern nicht von Bedeutung. Auch müsse der Versicherungsnehmer nicht erst einen solchen Prozess durchlaufen, bevor er die Reise stornieren kann; dies würde dem Sinn und Zweck einer Reiseversicherung widersprechen. Würde man vom Versicherungsnehmer verlangen können, dass er erst den Kündigungsschutzprozess abwarte, würden ihm unzumutbare Nachteile entstehen. Da dem Versicherungsnehmer schon nicht obliege, überhaupt Kündigungsschutzklage zu erheben, sei er erst recht nicht verpflichtet, den Versicherer über den Ausgang eines solchen Prozesses zu informieren.

Zu recht verwies das Gericht in seiner Urteilsbegründung auch darauf, dass sich die Unzumutbarkeit der planmäßigen Durchführung der Reise nicht in der Frage erschöpft, ob sich der Versicherungsnehmer ungeachtet der Kündigung des Arbeitsverhältnisses finanziell noch leisten kann. Ein Versicherungsnehmer, dem die betriebsbedingte Kündigung erklärt wird, muss anderweitige Dispositionen treffen, die ihm die Durchführung der Reise unzumutbar machen: So muss der Versicherungsnehmer bspw. entscheiden, ob er gegen die Kündigung rechtlich vorgehen will. Sofern er das nicht will, muss er sich bei der Arbeitsagentur melden, den Arbeitsmarkt sondieren und Bewerbungen vorbereiten und schreiben. Das alles benötigt Zeit und Aufmerksamkeit des Versicherungsnehmers. An die Durchführung einer Erholungsreise ist in einer solchen Situation nicht sinnvoll zu denken.

Aber auch die Stornierung nach Ausspruch der Reisewarnung war letztlich unschädlich. Maßgeblich war, dass die Kündigung zeitlich der Stornierung vorgelagert ist. Zum Zeitpunkt der Stornierung war für den Kläger – wie für den Rest der Welt – nicht absehbar, wie lange die mit der Corona-Pandemie zusammenhängenden Reisebeschränkungen anhalten würden. Auch eine baldige Aufhebung war denkbar. Vor diesem Hintergrund kann bereits nicht geschlussfolgert werden, dass der Kläger die Stornierung insgeheim wegen der Reisebeschränkungen vorgenommen und die tatsächlich eingetretene betriebsbedingte Kündigung nur als Vorwand genutzt hätte.

Nach alledem gab das Amtsgericht Ahrensburg unserer Klage vollumfänglich statt und verurteilte den Versicherer zur Zahlung der Versicherungsleistungen.