24. Juni 2020

Per Testament das gesamte Vermögen verteilt – aber wer ist Erbe?

Alles Hab und Gut verteilen, warum nicht. Aber bitte die Erbenbenennung nicht vergessen.

Die Erbfolge per Testament regeln, ist sinnvoll. Immer wieder kommt es dabei aber vor, dass Personen im Testament ihr gesamtes Vermögen auf verschiedene Personen verteilen, ohne eine Regelung darüber zu treffen, wer Erbe und wer vielleicht nur Vermächtnisnehmer sein soll. Dies auch darauf zurückzuführen, dass häufig nicht zwischen „vererben“ und „vermachen“ unterschieden wird. Rechtlich bestehen hier aber erhebliche Unterschiede.

Abgrenzung Erbe und Vermächtnis

Das Erbrecht ist vom Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge geprägt. Gemeint ist damit, dass mit dem Tod des Erblassers der Nachlass als Ganzes, also mit allen Vermögenswerten und Schulden, auf den oder die Erben übergeht. Der Erbe tritt automatisch an die Stelle des Verstorbenen. Wird dagegen nur ein einzelner Gegenstände zugewandt, handelt es sich lediglich um ein Vermächtnis. Der Begünstigte ist Vermächtnisnehmer. Im Unterschied zum Erben hat dieser nur einen Anspruch auf Herausgabe des zugewandten Gegenstandes gegenüber dem Erben. Wenn es also heißt „meine Enkelin Tina erhält den Picasso“ oder „Kumpel Karl bekommt meine Angelausrüstung“, sprechen wir nur von einem Vermächtnis.

Klare Ansage beugt unsichere Auslegung vor

Was ist aber, wenn der Erblasser seinen kompletten Nachlass auf einzelne Personen verteilt hat, ohne einen von ihnen als Erben zu bestimmen?

Da in diesem Fall nicht angenommen werden kann, dass er niemanden zum Erben berufen wollte, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, wer es sein sollte. Dabei folgt lautet OLG Oldenburg (Beschluss vom 01.10.2019 – Az. 3 W 76/19) aus der Verteilung des gesamten Nachlasses nicht, dass alle Bedachten zu Erben berufen sind. Vielmehr wird man sich im Allgemeinen an der Werthaltigkeit der Zuwendungen zu orientieren haben. Wer den Hauptnachlassgegenstand (z.B. ein Haus) zugewandt erhält, wird meist als Erbe anzusehen sein, der mit geringerem Wert Bedachte hingegen Vermächtnisnehmer.

Wenn mehrere werthaltige Gegenstände auf die Kinder verteilt werden, z.B. die Eigentumswohnung in Deutschland, die Finca auf Mallorca und der teure Ferrari an jeweils eines der 3 Kinder, kann sich auch die Frage stellen, ob sie gleichberechtigt erben sollten oder mit einer Quote entsprechend den konkreten Werten der einzelnen Gegenstände. Davon hängt ab, ob Ausgleichsansprüche unter den Erben bestehen oder nicht.

Wer vermeiden möchte, dass später Streit entsteht, tut gut daran, eine klare Erbenregelung zu treffen. Um Auslegungsbedarf vorzubeugen, bietet es sich an, bei Aufsetzung eines Testamentes fachlichen Rat hinzuzuziehen.