18. Oktober 2021

„Konfusion“ beim Pflichtteil

Wenn Juristen von Konfusion sprechen, geht es meist nicht um Verwirrtheit oder Chaos, wie man nach alltäglichem Sprachgebrauch meinen könnte. Es handelt sich vielmehr um einen juristischen Fachbegriff, welcher die Situation beschreibt, dass Gläubiger und Schuldner eines Anspruches identisch sind und dadurch der Anspruch selbst erlischt. Man ist nicht sein eigener Schuldner.

Übertragen auf das Erbrecht: Ein Sohn hat seinem verwitweten Vater ein zinsfreies Darlehen über 100.000 € gewährt. Stirbt nun der Vater, wird er von seinem Sohn beerbt. Der Vater hinterlässt ein kleines Häuschen im Wert von 100.000 €. Wir gehen einmal davon aus, dass es keine Geschwisterkinder gibt, sodass der Sohn Alleinerbe wird. Es tritt Identität zwischen Gläubiger- und Schuldnerstellung ein. Zivilrechtlich Folge: Der Zahlungsanspruch erlischt. Insoweit nicht weiter kompliziert oder überraschend.

Kann die durch Konfusion erloschene Forderung beim Pflichtteil in Abzug gebracht werden?

Nehmen wir aber an, der Fall ist etwas anders gelagert: Der Vater hinterlässt zwei Söhne. Per Testament hat er den Sohn, welcher ihm das Darlehen gewährt hatte, zu seinem Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tode des Vaters macht der Bruder gegenüber dem Erben seinen Pflichtteil geltend.

Der Pflichtteil umfasst als Zahlungsanspruch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, in unserem Fall 1/4. Der Höhe nach bemisst er sich nach dem Nettonachlass, also Aktivvermögen abzüglich Verbindlichkeiten des Erblassers. Die Frage ist nun, ob der allein erbende Bruder die noch in voller Höhe valutierende Darlehensforderung vom Wert des Hauses in Abzug bringen kann, obwohl sie mit dem Tode des Vaters durch Konfusion erloschen ist.

Die Rechtsprechung steht hier auf Seiten des Erben. In ständiger Rechtsprechung (u.a. BGHZ 98,382) wird angenommen, dass im Rahmen der Pflichtteilsberechnung nach § 2311 BGB solche Forderungen, welche infolge des Erbfalls durch Konfusion an sich erloschen sind, gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten als nicht erloschen gelten, sondern wertmindernd zu berücksichtigen sind. Der Pflichtteilsberechtigte soll nicht allein davon profitieren, dass der Erblasser nicht einen Dritten, sondern den Gläubiger der Forderung zum Erben eingesetzt hat. Hätte er z.B. einen Cousin von sich eingesetzt, wäre die Darlehensforderung nicht erloschen, sondern als Nachlassverbindlichkeit auf den Cousin übergegangen und in Abzug zu bringen. Die Höhe des Pflichtteils soll also nicht davon abhängen, wer zufällig Erbe wird und ob vielleicht in der Person des Erben die Voraussetzungen einer Konfusion begründet sind. Im Beispielsfall geht der enterbte Bruder also leer aus.

Gestaltungsspielraum zur Pflichtteilsreduzierung?

Man könnte hier schnell auf den Gedanken kommen, durch solch ein Darlehen missliebige Pflichtteilsansprüche auszuhebeln. Es muss dann aber auch tatsächlich eine Valutierung erfolgen, also ein Geldtransfer. Denkbar wäre, dass der Vater dem Sohn zunächst eine Geldschenkung macht. Damit verlässt der entsprechende Betrag erst einmal das spätere Nachlassvermögen. Gewährt der Sohn dem Vater dann aus dem Kapital ein Darlehen, könnte im Prinzip die „Privilegierung“ greifen. Allerdings läuft man Gefahr, dass ein tatsächlich gewolltes „Darlehen“ hinterfragt wird. Ein nur zum Schein eingegangenes Rechtsgeschäft kann nämlich unwirksam sein. Es ist also rechtlich unsicher.

Es gibt andere Optionen, Einfluss auf den späteren Pflichtteil zu nehmen. Gern beraten wir Sie zu Gestaltungsmöglichkeiten.