1. April 2021

Kaskoschutz bei Verlassen der Unfallstelle?

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort kann nicht nur strafbar sein (§ 142 StGB), sondern auch zu Problemen mit der eigenen Kaskoversicherung führen. Denn unter Umständen kann die Kaskoversicherung die Regulierung des Fahrzeugschadens verweigern, wie ein aktuelles Verfahren vor dem OLG Koblenz (Az. 12 U 235/20) zeigt.

Der Versicherungsnehmer und spätere Kläger war auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h ohne Fremdeinwirkung mit der Leitplanke kollidiert. Nach der Kollision war er zunächst bis zu einem Rastplatz weitergefahren, um dort den Schaden in Augenschein zu nehmen. An seinem Fahrzeug befanden sich Streifspuren über die gesamte linke Fahrzeugseite. Sodann setzte er seine Fahrt fort. Die Polizei informierte er nicht, seine Kaskoversicherung erst 4 Tage später.

Nachdem der Versicherer die Leistungen unter Verweis auf die Verletzung von Obliegenheiten abgelehnt hatte, klagte der Versicherungsnehmer, unterlag jedoch in zwei Instanzen.

Den Verweis darauf, dass die Autobahn viel befahren und damit ein Halten auf der Standspur sehr gefährlich gewesen sei, ließen die Richter nicht gelten, zumal der Kläger auch vom Rastplatz aus weder Versicherung noch Polizei verständigt hatte, sondern weiterfahren war.

Das OLG Koblenz führte aus, dass der Kläger aufgrund des Schadenbildes am Fahrzeug davon ausgehen konnte, dass bei der Kollision nicht nur ein erheblicher Schaden am eigenen Fahrzeug, sondern auch ein nicht völlig belangloser Fremdschaden an der Leitplanke entstanden sei. Der Kläger hätte daher an der Unfallstelle warten müssen. Es könne dahinstehen, ob es ihm zumutbar gewesen wäre, in unmittelbare Nähe zum Unfallort zu warten, da er auch nicht auf dem Rastplatz gewartet habe.

Warum kürzen Versicherer in solchen Fällen die Leistungen oder verweigern sie ganz?

Durch ein solches Verhalten werden wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall erschwert. Es geht nicht darum, dass ein Schaden an der Leitplanke entstanden ist. Es geht auch nur zum Teil darum, wer das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt geführt hat. Vielmehr interessiert den Versicherer vor allem, ob der Fahrer fahruntüchtig war, z.B. aufgrund von Müdigkeit oder Alkoholkonsum.

Das Warten am Unfallort und das Verständigen der Polizei ist daher immer ratsam, auch wenn als Fremdschaden „nur“ die Leitplanke beschädigt wurde. Ein Entfernen vom Unfallort ist strafbar. Zudem unterstellt manch Versicherer stereotyp, dass durch das Entfernen eine vermeintlich bestehende Fahruntauglichkeit verheimlicht werden soll, und verweigert die Leistungen.

Probleme mit der eigenen Versicherung vermeiden Sie nur, wenn Sie sich an die „Spielregeln“ halten. Dazu gehört die Wartepflicht und im Zweifel auch die Verständigung der Polizei. Halten Sie sich daran, nehmen Sie dem Versicherer gehörig „Wind aus dem Segel“ und reduzieren das Risiko einer (teilweisen) Leistungsablehnung.

 

Henning Doth
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht