28. Oktober 2020

(Schein-) Ehe als erbrechtliches Gestaltungsmittel?

Ob zur Pflichtteilsreduzierung oder Generierung von Steuerfreibeträgen, der Motive einer Trauung kann es neben der Liebe viele geben.

Wenn man von einer „Scheinehe“ spricht, dann heiraten die Eheleute nicht der Liebe wegen und ohne Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen. Nach dem deutschen Familienrecht liegt eine solche Scheinehe vor, wenn sich die Eheleute bei Trauung einig waren, sich nicht zur ehelichen Lebens-und Einstandsgemeinschaft mit wechselseitiger Verantwortung verpflichten zu wollen. Vielmehr stehen hier rechtliche Vorteile als Folge der Eheschließung im Fokus.
Sie können vielschichtig sein. Spontan denkt man sofort an die Heirat eines ausländischen Staatsbürgers zwecks Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis. Ein Motiv dann auch die Aussicht auf eine spätere Witwen-/Witwerrente sein. Ebenso die Generierung einer Erbenstellung und des hohen (Erbschaft-) Steuerfreibetrages eines Ehepartners.

Eingehen einer Scheinehe zur Reduzierung des Pflichtteils?

Eine solche sachfremde Motivation vermutete auch ein enterbter Sohn als Anlass der erneuten Eheschließung seines Vaters. Dieser hinterließ 2 Söhne, von welchem er einen testamentarisch enterbt hat. Kurz vor seinem Tode heiratete der Vater. Nach seinem Ableben beantragten der andere Sohn und die Witwe einen gemeinschaftlichen Erbschein. Dem trat der enterbte Sohn entgegen. Er behauptete, der Vater habe nur geheiratet, um seinen Pflichtteil zu reduzieren. Die neue Ehefrau sei in Wirklichkeit die Lebensgefährtin seines Bruders gewesen. Es handele sich um eine Scheinehe. Das Erbrecht der neuen Ehefrau sei daher ausgeschlossen.

Das Gericht folgte ihm nicht. Es ging bis zum Oberlandesgericht. Alle Instanzen vermochten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich wie vom enterbten Sohn behauptet verhält, nicht festzustellen. Außerdem stellte das OLG klar, dass eine Scheinehe und deren mögliche Aufhebbarkeit nicht zwangsläufig zum Verlust des gesetzlichen Erbrechtes des Ehegatten führt (OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2020 – 3 W 27/20).

Erbanspruch trotz Scheinehe

Das OLG hatte zu klären, ob die Ehefrau ihr gesetzliches Erbrecht gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB verloren hat, wenn die Ehe nur zum Schein eingegangen worden ist. Die Scheinehe stellt einen von mehreren Gründen dar, wegen welcher eine Ehe aufgehoben werden kann. Die Eheleute selbst oder auch die zuständige Verwaltungsbehörde können einen solchen Aufhebungsantrag anbringen. Wird er hingegen nicht gestellt, behalten Witwe/Witwer grundsätzlich ihr gesetzliches Erbrecht, also unabhängig davon, ob ein Aufhebungsgrund gegeben sein mag.

Daneben hat das OLG noch geprüft, ob dem Erbanspruch der Witwe § 1318 Abs. 5 BGB entgegensteht. Die Norm besagt, dass sich der überlebende Ehepartner nicht auf das Erbrecht berufen kann, wenn ihm die Aufhebbarkeit der Ehe aus bestimmten Gründen, z.B. wegen Bigamie oder bestehendem Verwandtschaftsverhältnis, zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt war. Die Scheinehe als Aufhebungsgrund fällt aber nach dem Wortlaut der Norm nicht darunter.

Andere Gestaltungsmittel vorziehen

Eine Scheinehe ist und bleibt aber angreifbar und unsicher. Die Verwaltungsbehörde hat ein eigenständiges Recht, die Eheaufhebung zu beantragen. Die Scheinehe bietet sich daher als nachhaltige erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeit eher nicht an. Lebzeitige Verfügungen sind meist vorzuziehen.

Gern informieren wir Sie darüber, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich in Ihrer individuellen Situation anbieten und am besten geeignet sind.