12. Juni 2020

Messerverdacht auf dem Rücksitz

Umdrehen während der Fahrt zum Kind auf dem Rücksitz ist grob fahrlässig. Im Schadenfall ist mit einer beträchtlichen Mithaftung rechnen.

Der Beklagte mietete bei der Klägerin ein Auto. Die Parteien vereinbarten eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 1.050 € pro Schadensfall. Im Falle grob fahrlässiger Herbeiführung eines Schadens war der Autovermieter berechtigt, die Leistungsverpflichtung zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Der Beklagte fuhr auf der Autobahn bei stockendem Verkehr mit 50-60 km/h. Auf dem Rücksitz saßen seine damals 8 bzw. 9 Jahre alten Kinder. Bei einem Spurwechsel macht der Beklagte einen kurzen Schulterblick und sah dabei, dass sein rechts hinter ihm sitzendes 8-jähriger Kind einen Gegenstand in der Hand hielt. Da er den Gegenstand zunächst nicht identifizieren konnte und für gefährlich hielt, drehte er sich nach Beendigung des Fahrspurwechsels vollständig nach hinten zu seinem Kind auf der Rückbank um. Das vor ihm liegende Verkehrsgeschehen konnte er nicht mehr wahrnehmen. Er fuhr auf ein vor ihm fahrendes Motorrad auf und verursachte am gemieteten Auto einen Sachschaden über 10.000 €.

Der Beklagte zahlte daraufhin die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung. Die Klägerin verlangte jedoch den darüberhinausgehenden Schaden zu 50%.

Zu Recht, wie das OLG Frankfurt a.M. feststellte. Die Haftung des Beklagten für den von ihm verursachten Unfall sei nicht auf den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt beschränkt. Der Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig verursacht, so dass die Klägerin ihre Haftungsfreistellungsverpflichtung kürzen könne.

Das vollständige Umdrehen während der Fahrt auf der Autobahn im stockenden Verkehr zu einem auf dem rechten Rücksitz befindlichen achtjährigen Kind sei grob fahrlässig. Es stelle eine „einfachste ganz naheliegende Überlegung“ dar, dass ein Kraftfahrer die vor ihm befindliche Fahrspur beobachten muss, um möglicherweise in hohem Maße gefährliche Situationen zu vermeiden. Nach Auffassung des Gerichts müsse jedem Fahrer einleuchten, dass es zu in hohem Maße gefährlichen Verkehrssituationen führen kann, wenn der Fahrer seine Aufmerksamkeit während der Fahrt dem auf der Rückbank sitzenden Kind zuwendet. Selbst die Befürchtung, das Kind könnte ein Messer in der Hand halten, rechtfertige dies nicht. Auch ohne Blickkontakt hätte er dem Kind Anweisungen geben können, wie es sich zu verhalten habe, bis er eine sichere Haltemöglichkeit erreicht hat.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.2.2020 (Az. 2 U 43/19)