26. Mai 2020

Das Testament – auf die Formulierung kommt es an!

Am Ende alles den "Kindern", oder doch den "Abkömmlingen"?

Wollen Eheleute im Todesfall ihr Vermögen sich zunächst gegenseitig zugutekommen lassen und nach dessen Tod Dritten, meist den Kindern, erfolgt dies häufig im Wege des sog. Berliner Testamentes. Jeder Ehegatte setzt den anderen zum Vollerben ein. Die Kinder erhalten dann das gemeinsame Vermögen der Eheleute beim Tod des länger lebenden Ehegatten. Verbunden wird es gelegentlich mit Regelungen, ob und wie der länger lebende Partner über das Vermögen noch verfügen kann.

Wer ist mit dem Begriff „Abkömmlinge“ gemeint?

Dass man dabei auf die Formulierung achten muss, zeigt ein Fall, über welchen jüngst das OLG Oldenburg (Urteil vom 11.09.2019 – Az. 3 U 24/18) zu befinden hatte. Ein Ehepaar hatte in einem solchen Testament sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und weiter verfügt, dass nach dem Tod des letztversterbenden die „gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen“ erben sollten. Dem länger Lebenden wurde noch gestattet, die Erbfolge „unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen“ abzuändern. Nach dem Versterben des Ehemannes machte die Witwe von dieser Möglichkeit Gebrauch, indem sie nur eine der Töchter und deren Sohn (also den gemeinsamen Enkel) als Erben einsetzte. Das wollte die übergangene Tochter so nicht akzeptieren. Sie hielt die spätere Änderung für unwirksam, da unter „gemeinschaftlichen Abkömmlingen“ allein die gemeinsamen Kinder zu verstehen seien, also sie und ihre Schwester, nicht aber nur ein Kind und dessen Nachkomme. Das wollte sie vom Gericht festgestellt wissen.

Nach dem BGB: Kinder, Enkelkinder, Urenkel etc.

In erster Instanz gab ihr das Landgericht Osnabrück noch recht. Das OLG sah es allerdings anders. Das Wort „Abkömmlinge“ sei nicht auf Kinder beschränkt, wie sich bereits aus der gesetzlichen Definition in § 1924 BGB ergebe. Unter Abkömmlingen seien nun einmal die Kinder und Kindeskinder, also auch Enkel und Urenkel, zu verstehen. Dass die Eheleute bei Aufsetzung des Testamentes etwas anderes gewollt hätten, sei nicht feststellbar. Hätten sie nur die eigenen Kinder gemeint, hätten sie diesen Begriff verwendet. Es wurde vom Gericht auch als plausibel angesehen, dass die Enkel etc. mitbedacht sein sollten. Denn häufig hätten eher Enkel und Urenkel finanzielle Unterstützung nötig. Ein dem Wortlaut entgegenstehender Wille sei jedenfalls nicht ermittelbar.

Wie vermeide ich Auslegungsschwierigkeiten?

Ein Testament soll die Erbfolge eindeutig regeln und Streit vermeiden. Um dieses zu erreichen, müssen die Formulierungen unmissverständlich und klar sein. Die Entscheidung des OLG führt vor Augen, dass u.U. auch ein vom Notar formuliertes am Gesetzeswortlaut orientiertes Testament streitanfällig sein kann, wenn von einer Seite der Wille des Erblassers abweichend interpretiert wird. Für die Eindeutigkeit ist also die Einbeziehung des Erblasserwillens wichtig. So scheint im entschiedenen Fall nicht ganz ausgeschlossen, dass der eigentliche Wille zumindest nicht unbedingt die gleichberechtigte Berufung der Enkel und Urenkel unabhängig von Anzahl und zugehörigem Stamm umfasst hat. Es würde eher der Erfahrung aus unserer langjährigen erbrechtlichen Beratungspraxis entsprechen. Es verbleiben daher Zweifel. Sie wären möglicherweise mit einem nur kurzen Zusatz im Testament vermeidbar gewesen. Es ist die Hinzuziehung fachkundigen Rates zu empfehlen, um zu erkennen und beurteilen zu können, welche Punkte bei Abfassung eines Testamentes wichtig sind und welche Formulierungen verwendet werden sollten. Im Einzelfall kann sich – u.a. unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten – auch eine Optimierung des klassischen Berliner Testamentes oder eine vorweggenommene (Erb-) Regelung zu Lebzeiten anbieten.
Wir stehen Ihnen hierbei gern zur Verfügung, sowohl beratend als auch bei der Erstellung eines Testamentes oder sonstiger letztwilliger Verfügungen. Setzen Sie sich gern mit uns in Verbindung.

Rechtsanwalt Jens-Greiner Petter

Fachanwalt für Familienrecht

weiterer Tätigkeitsschwerpunkt: Erbrecht